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Patente

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Parallelimporte

Erschöpfung im Patentrecht

 

Hintergrund

Das Bundesgericht stellte in einem Urteile aus dem Jahr 1999 (BGE 126 III 129) für das Patentrecht das Prinzip der nationalen Erschöpfung auf: Der Patentinhaber kann demnach gerichtlich verhindern, dass seine patentgeschützten Produkte, die er im Ausland auf den Markt gebracht hat, gegen seinen Willen in die Schweiz importiert werden. Das Prinzip der nationalen Erschöpfung wurde seit dem besagten Bundesgerichtsurteil kontrovers diskutiert.

Der Bundesrat befasste sich seither mehrmals mit den Alternativen zur nationalen Erschöpfung. Er hielt dabei stets am Prinzip der nationalen Erschöpfung fest, befürwortete jedoch Massnahmen zur Verhinderung eines Missbrauchs des Patentrechts.

Am 21. Dezember 2007 legte der Bundesrat dem Parlament mit der Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes (Systementscheid bei der Erschöpfung im Patentrecht) einen Regelungsvorschlag vor. Er gab damit längerfristigen innovationspolitischen Gesichts¬punkten (Begünstigung des dynamischen Wettbewerbs, der auf der sukzessiven Einführung von neuen und verbesserten Produkten beruht) den Vorrang.

Die Vorlage war in den Räten politisch umstritten. Schliesslich stimmte eine Mehrheit beider Räte folgender Regelung zu: Im Grundsatz soll das Prinzip der einseitigen (d.h. ohne Vereinbarung des Gegenrechts eingeführten) regionalen Erschöpfung im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des europäischen Wirtschaftsraums Anwendung finden. Patentgeschützte Produkte, die mit Zustimmung des Patentinhabers im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gesetzt wurden, können ohne Zustimmung des Patentinhabers importiert werden. Weiter ist der Import von Produkten möglich, die vom Patentinhaber ausserhalb des europäischen Wirtschaftsraums vermarktet werden, wenn der Patentschutz für die funktionelle Beschaffenheit der Produkte nur untergeordnete Bedeutung hat. Für Produkte, deren Preise im In- oder Ausland staatlich festgelegt sind, ist nach dem Willen der Räte die Zustimmung des Pateninhabers zum Import erforderlich. Es gilt insoweit die nationale Erschöpfung. Konkret betrifft dies die Arzneimittel. Artikel 27b Landwirtschaftsgesetz (SR 910.1) bleibt unverändert bestehen. Es gilt somit weiterhin die internationale Erschöpfung bei landwirtschaftlichen Produktionsmitteln und Investitionsgütern.

Im Zuge der Behandlung der Frage der Erschöpfung beschlossen die Räte auch die Aufhebung von Artikel 14 Absatz 3 Heilmittelgesetz (SR 812.21). Dieser bestimmt, dass das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic) ein zugelassenes Originalpräparat so lange nicht vereinfacht für den Import zulassen darf, als das Originalpräparat patentgeschützt ist. Mit der Streichung von Artikel 14 Absatz 3 Heilmittelgesetz hat das Parlament öffentlichrechtliche Aufgaben und privatrechtliche Durchsetzung von Patentrechten auseinanderhalten wollen.

 

Begriffliches

 

Erschöpfung von Patentrechten

Bei der Erschöpfung von Patentrechten geht es um das Verhältnis der Verbotsrechte eines Patentinhabers zu den Benutzungsrechten des Erwerbers eines patentrechtlich geschützten Erzeugnisses. Veräussert die an einem Patent berechtigte Person ein durch das Patent geschütztes Erzeugnis, so geraten ihre durch das Patentrecht vermittelten Verbotsrechte bezogen auf dieses Erzeugnis mit den Befugnissen des Erwerbers aus sachenrechtlichem Eigentum in Konflikt. Nach dem Erschöpfungsgrundsatz werden die durch das Patentrecht vermittelten Verbotsrechte an einem patentgeschützten Erzeugnis verbraucht oder eben erschöpft, wenn die am Patent berechtigte Person dieses Erzeugnis veräussert oder wenn dieses mit ihrem Einverständnis in Verkehr gesetzt wird. Die am Patent berechtigte Person verliert durch das Inverkehrsetzen eines patentgeschützten Erzeugnisses die Befugnis, dessen gewerbsmässigen Gebrauch sowie weiteren Verkauf durch den Erwerber von ihrer Zustimmung abhängig zu machen.
Bei der Kontroverse um die Erschöpfung von Patentrechten geht es um die territoriale Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes. Der Streitpunkt ist, ob die Abwehrrechte aus einem in der Schweiz wirksamen Patent an einem dadurch geschützten Erzeugnis erschöpft werden, wenn dieses vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung ausserhalb der Schweiz in Verkehr gesetzt wurde. Hier gibt es drei Grundoptionen: das System der nationalen, der regionalen und der internationalen Erschöpfung.

 

Nationale Erschöpfung

Nach dem Grundsatz der nationalen Erschöpfung gehen die Verbotsrechte aus einem für das Inland erteilten Schutzrecht an einem Erzeugnis unter, wenn dieses mit der Zustimmung des Patentinhabers im Inland in Verkehr gebracht wird. Der rechtmäs¬sige Erwerber des Erzeugnisses erlangt ein freies Gebrauchs- und Weiterveräusserungsrecht. Wird ein geschütztes Erzeugnis im Ausland in Verkehr gebracht, erschöpfen sich die daran bestehenden Schutzrechte im Inland nicht. Die Einfuhr der im Ausland in Verkehr gebrachten Erzeugnisse erfordert die Zustimmung des Schutzrechtsinhabers.

 

Regionale Erschöpfung

Nach dem Grundsatz der regionalen Erschöpfung gehen die Verbotsrechte aus den für die Länder eines gemeinsamen Wirtschaftsraums (z.B. EG, EWR) erteilten Schutzrechten an einem Erzeugnis unter, wenn dieses mit der Zustimmung des Patentinhabers in einem der Ländern dieses Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht wird. Der Patentinhaber kann sich dem Weiterverkauf der geschützten Erzeugnisse innerhalb des Wirtschaftsraums nicht widersetzen. Beim Inverkehrbringen der geschützten Erzeugnisse ausserhalb dieses Wirtschaftsraums bleiben dem Patentinhaber die Verbotsrechte in den Ländern dieses Wirtschaftsraums erhalten.

 

Internationale Erschöpfung

Nach dem Grundsatz der internationalen Erschöpfung gehen die Verbotsrechte aus einem für das Inland erteilten Schutzrecht an einem Erzeugnis unter, wenn dieses mit der Zustimmung des Patentinhabers entweder im Inland oder im Ausland in Verkehr gebracht wurde. Der Patentinhaber kann sich dem grenzüberschreitenden Weiterverkauf der im Ausland in Verkehr gesetzten Erzeugnisse nicht widersetzen.

 

Parallelimporte

In einem weiten Sinn bezeichnet der Ausdruck «Parallelimporte» den grenzüberschreitenden Handel, bei dem der Importeur das Preisgefälle zum Ausland nutzt und ein im Ausland erworbenes Erzeugnis für den Weiterverkauf im Inland ausserhalb der Vertriebskanäle des Herstellers einführt. Der Parallelimporteur tritt somit auf der Stufe des Vertriebs in Konkurrenz zum Hersteller des Erzeugnisses. Wesentlicher Anreiz für den Parallelimporteur bildet die Differenz zwischen Einkaufspreis im Ausland und Verkaufspreis im Inland, wobei staatliche Abgaben, Kosten und die eigene Marge eingerechnet werden.
In einem engen Sinn bezieht sich der Ausdruck «Parallelimporte» auf den grenzüberschreitenden Handel von Erzeugnissen, an denen Schutzrechte des Geistigen Eigentums bestehen. Die Möglichkeit von Parallelimporten wird bei geschützten Erzeugnissen durch das System der Erschöpfung der jeweiligen Schutzrechte mitbestimmt, ist aber nicht ausschliesslich von diesem abhängig.

 

Verlauf

31.05.2000Der Bundesrat heisst den ersten Bericht «Parallelimporte und Patentrecht» gut. Der Bericht bildet die Antwort auf eine Anfrage der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 24.01.2000, die vom Bundesrat eine Gesamtschau zum Thema der Erschöpfung im Patentrecht wünschte.
Der Bundesrat kommt im Bericht zum Schluss, dass die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines Systemwechsels von der nationalen zur internationalen Erschöpfung beim gegenwärtigen Wissensstand nicht beantwortet werden könne und deshalb ein entsprechender Entscheid nicht voreilig in die Wege geleitet werden sollte. Vor diesem Hintergrund bekennt sich der Bundesrat zur geltenden nationalen Erschöpfung im Patentrecht. Er erklärte sich jedoch bereit, im Hinblick auf die Erschöpfungsproblematik weitere Abklärungen zu treffen.
22.03.2001Der Nationalrat überweist ein Postulat der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (00.3612), das vom Bundesrat einen zweiten Bericht zur Erschöpfung im Patentrecht verlangt. Zur Erfüllung des Postulats setzt der Bundesrat eine interdepartementale Arbeitsgruppe (IDA Parallelimporte) unter Leitung des Generalsekretariats des Eidg. Departements für Volkswirtschaft EVD ein. Die IDA Parallelimporte vergibt drei Mandate zu den folgenden Aspekten an externe Experten:
  1. Volkswirtschaftliche Auswirkungen bei einem Übergang von nationaler zu internationaler Erschöpfung (Studie Systemwechsel)
  2. Einfluss staatlicher Regulierungen auf die Medikamentenpreise (Studie Humanarzneimittel)
  3. Rechtliche Möglichkeiten zur Einführung einer regionalen oder nach Produkten differenzierten Erschöpfung (Rechtsgutachten).
Siehe Pressemitteilung.
29.11.2002Der Bundesrat heisst den zweiten Bericht «Parallelimporte und Patentrecht» gut. Der Bericht bildet die Antwort auf Postulat der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (00.3612). Siehe Pressemitteilung.
Gestützt auf drei umfangreiche externe Studien verwirft der Bundesrat einen Wechsel zur internationalen Erschöpfung im Patentrecht. Der erwartete wirtschaftliche Nutzen mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) zwischen 0,0 und 0,1 % wiegt seiner Ansicht nach die Nachteile eines solchen Wechsels nicht auf. Der Bundesrat befürwortet jedoch Massnahmen zur Verhinderung eines Missbrauchs des Patentrechts.
03.10.2003Der Nationalrat überweist ein Postulat der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (03.3423). Dieses fordert den Bundesrat auf, nach Abschluss der bilateralen Verhandlungen II mit der EU die Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen des existierenden Freihandelsabkommens EG-Schweiz zu prüfen, welche zum Ziel haben sollen, mittels einer qualifizierten Vereinbarung im Patentrecht die gegenseitige regionaleuropäische Erschöpfung einzuführen.
Siehe auch die parallelen Postulate Sommaruga (04.3197) und Strahm (04.3164).
03.12.2004Der Bundesrat heisst den dritten Bericht «Parallelimporte und Patentrecht: Regionale Erschöpfung» gut.
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht wünschenswert ist, separate Verhandlungen mit der EU zur Einführung der gegenseitigen regionalen Erschöpfung im Patentrecht mittels eines gesonderten bilateralen Abkommens einzuleiten. Der Übergang von der nationalen zur regionalen Erschöpfung im Patentrecht im Verhältnis zur EU bewirke im besten Fall ein zusätzliches Wachstum des Bruttoinlandproduktes zwischen 0,0 und 0,1 %. Angesichts dieses bescheidenen positiven Wohlfahrtseffekts lohne sich die Aufnahme von Verhandlungen zu diesem Punkt nicht.
20.12.2006Der Nationalrat beschliesst, die Frage der Erschöpfung im Patentrecht aus der Vorlage zur Änderung des Patentgesetzes herauszulösen, und stimmt einer Motion der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) (06.3633) zu, die den Bundesrat ersucht, im Rahmen einer spezifischen Botschaft der Bundesversammlung einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten.
14.03.2007Der Ständerat schliesst sich den Beschlüssen des Nationalrats vom 20.12.2006 an.
18.04.2007Der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung zum Systementscheid bei der Erschöpfung im Patentrecht. Mit der Vernehmlassungsvorlage soll dem Wunsch des Parlaments nach einer ganzheitlichen Darstellung der Fragestellung der Erschöpfung im Patentrecht entsprochen werden. Ausgehend von den bisherigen Untersuchungen der Fragestellung durch den Bundesrat stellt die Vorlage die ganze Breite der Lösungsansätze dar und bewertet die verschiedenen Optionen rechtlich und wirtschaftlich. Um ein vollständiges Bild der Sachargumente zu erhalten, wurde auf eine Eingrenzung der Lösungsansätze im Sinne eines eingeschränkten Variantenvorschlags verzichtet. Die Vernehmlassung endet am 30. Juni 2007.
21.12.2007Der Bundesrat verabschiedet die Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes (Systementscheid bei der Erschöpfung im Patentrecht). 
19.12.2008Das Parlament nimmt die Änderungen des Patentgesetzes in der Schlussabstimmung an (Bundesblatt 2009 201). Siehe zur parlamentarischen Beratung die Geschäftsdatenbank des Parlaments (Geschäft 08.010).
29.05.2009Der Bundesrat beschliesst, die Änderung des Patentgesetzes zur Frage der Erschöpfung auf den 1. Juli 2009 in Kraft zu setzen.
 

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