Kreativität und KI: Wie das Urheberrecht dem Wandel begegnen kann

Nach dem Erfolg von CLTR 2024 führte das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) am 23. Oktober 2025 die Neuauflage CLTR 2025 im Berner Kornhaus durch. Die Veranstaltung bot rund 120 Teilnehmenden aus Recht, Kultur, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Technologie eine Plattform, um gemeinsam Lösungen für die Regulierung von KI im Urheberrecht zu diskutieren. Ziel war es, Rahmenbedingungen zu skizzieren, die Kreative schützen, Innovation fördern und Nutzende befähigen – heute und in Zukunft.

 

 

Mit dem Thema «KI und Urheberrecht» beschäftigen sich zahlreiche Expertinnen und Experten auf rechtlicher und politischer Ebene. In den vergangenen Monaten hat sich Einiges bewegt: Der Bundesrat hat im Februar die Auslegeordnung zur Regulierung von künstlicher Intelligenz des BAKOM als Grundlage für seinen Regulierungsansatz gewählt. Demnach sollen Regulierungen möglichst sektorbezogen erfolgen. Ebenfalls im Februar empfahl der Bundesrat die Annahme der Motion Gössi «Besserer Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch». Damit wird eine Regelung im Urheberrecht angestrebt. Mit CLTR 2025 wurde der Dialog von CLTR 2024 weiter vertieft: Wie können Urheberrechte gewahrt werden, ohne Innovation zu behindern? Und welche rechtlichen Rahmenbedingungen schützen sowohl Kreative als auch Nutzerinnen und Nutzer?

 

Drei Inputreferate als Auftakt

Den Auftakt machte Franziska Raaflaub, Juristin im Rechtsdienst Urheberrecht und verwandte Schutzrechte beim IGE und nebenbei aktive Jodlerin. Mit einem humorvollen Einstieg («KI kann nicht jodeln») zeigte sie auf, wo die Regulierung aktuell steht. Künftig soll präzisiert werden, dass die Verwendung von Werken für KI unter Art. 10 des Urheberrechtgesetzes fällt. Wie dieses Recht konkret wahrgenommen wird, ist offen. Zur Diskussion stehen verschiedene Modelle: Gesetzliche Schranken mit oder ohne Vergütungspflicht sowie die kollektive Verwertung ausschliesslicher Rechte. Letztere bedeutet, dass eine Verwertungsgesellschaft an Stelle vieler Urheberinnen Rechte verwaltet und Vergütungen einzieht. Vergütungen werden – je nach Modell – vertraglich oder tariflich festgelegt. Die verschiedenen Modelle werden jeweils durch ein sog. Opt-out System ergänzt. Urheber können damit ausschliessen, dass ihre Werke im KI-Kontext verwendet werden und individuelle vertragliche Lösungen anstreben.

 

Anschliessend zeigte David Rosenthal, einer der führenden Schweizer Experten für Daten- und Technologie-Recht, wie sich die Nutzung von Inhalten verändert: Diese werden heute oft direkt über KI-basierte Suchmaschinen wie Google abgerufen. Nutzende müssen die ursprüngliche Quelle – etwa die Website eines Medienunternehmens – nicht mehr besuchen. Der Datenbezug erfolgt über den KI-Anbieter, häufig ohne ausdrückliche Einwilligung der Urheber und Urheberinnen. Dies stellt bestehende Lizenzierungs- und Vergütungsmodelle infrage.

 

Als dritte Referentin sprach Chantal Bolzern, Rechtsanwältin und «Entertainment Lawyer». Sie beleuchtete unterschiedliche Lizenzmodelle und ihre Vor- und Nachteile im Kontext von KI. Zusätzlich thematisierte sie Persönlichkeitsrechte: Schutz vor digitaler Entstellung und Deepfakes sowie Fragen des postmortalen Schutzes, also die Persönlichkeitsrechte verstorbener Personen. Diese Fragen müssten jedoch im Zivilgesetzbuch (ZGB) und nicht im Urheberrecht geregelt werden.

 

World Café: Drei Fokusthemen im Dialog

Im anschliessenden World Café diskutierten die Teilnehmenden in Kleingruppen zu drei Leitfragen:

  1. Ausnahmen und Schranken für KI – Braucht es spezielle Ausnahmen im Urheberrecht für KI-Anwendungen? Wenn ja, welche?
  2. Verwertung und Vergütung – Soll die Vergütung über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen (z. B. mittels erweiterter Kollektivlizenz) und ist ein Opt-out sinnvoll?
  3. Standortattraktivität Schweiz – Wie kann die Schweiz trotz oder dank Regulierung ein innovationsfreundlicher Standort bleiben?

Die Diskussionen zeigten: Die Teilnehmenden sehen die Notwendigkeit klarer rechtlicher Rahmenbedingungen, um Urheberrechte auch im KI-Zeitalter wirksam zu schützen. Gleichzeitig herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass Innovation nicht behindert werden darf. Viele äusserten Bedenken auf die Frage, ob die Möglichkeit von Opt-outs zuzulassen sei. Unklarheit bestand dabei, wie diese allenfalls praktikabel auszugestalten wären. Mehrere Stimmen betonten die Bedeutung einer pragmatischen, international kompatiblen Lösung, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz zu sichern.

 

Abschluss und Ausblick

Moderiert wurde der Anlass von Felix Addor, Stv. Direktor und Rechtskonsulent des IGE. In seinem Schlusswort hob er die Bedeutung des Dialogs zwischen Wissenschaft, Praxis und Kreativwirtschaft hervor, um verantwortungsvolle und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.

Die Ergebnisse aus CLTR 2025 fliessen in die weitere politische und rechtliche Arbeit ein – insbesondere vor dem Hintergrund der bevorstehenden Debatte im Ständerat zur abgeänderten Motion Gössi. Im Falle einer Annahme wird sich das IGE voraussichtlich mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Gesetzesvorlage befassen. Darüber hinaus sollen die gewonnenen Erkenntnisse als Grundlage für weitere Fachveranstaltungen und den Austausch mit betroffenen Branchen dienen.

 
 

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