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Käse-Tüftler erfinden Verfahren für mehr Geschmack
In einer luftdichten Verpackung verlieren schmiere-gereifte Käse häufig an Geschmack und werden klebrig. Doch ein neues Herstellungsverfahren löst das Problem. Bei der Erfindung war auch ein Damenstrumpf im Spiel.
Die Hälfte der Schweizer Käse werden Schmiere-gereift. Sie werden mit einer Mischung aus Wasser, Salz und zum Teil auch Kulturen von Mikroorganismen eingerieben. Darunter fallen traditionelle Sorten wie z. B. Appenzeller, Tilsiter oder Raclette, aber auch zahlreiche regionale Spezialitäten. Charakteristisch ist die orange-braune Rinde, die aus einer Mikroflora besteht – der sogenannten Käseschmiere. Sie baut die Milchsäure vom Käse ab und trägt zum typischen Aroma bei.
Heute wird Käse zu 90 Prozent vorverpackt verkauft, nur 10 Prozent gelangen über die Theke zum Kunden. In einer luftdichten Verpackung stirbt die Mikroflora der Käseschmiere ab. Die Käse können klebrig werden und es entwickelt sich ein Fehlgeruch. «Das war für mich der Moment, um nach einer Lösung zu suchen. Ein tolles Produkt wie der Schweizer Käse wird auf dem Höhepunkt verpackt und büsst danach an Qualität ein. Das stellte auch die Käsebranche fest», sagt Hans-Peter Bachmann, wissenschaftlicher Projektleiter bei Agroscope.
Heureka-Moment mit dem Damenstrumpf
Bei den Versuchen lässt man sich von der Herstellung des Vacherin fribourgeois AOP inspirieren. Rund um den Käselaib wird eine Gaze gebunden, damit der Käse bei der Reifung nicht verläuft. Wird der Stoff entfernt, geht der Grossteil der Schmiere weg. Das optische Erkennungsmerkmal, die orange-braune Färbung bleibt jedoch zurück. Hans-Peter Bachmann und sein Team gehen einen Schritt weiter und wickeln den Käse komplett ein. Sie suchen ein dehnbares Material, das mit dem Käse verwächst. So wächst die Mikro-Flora auf dem Material und nicht darunter. Ein Mitarbeiter kommt schliesslich auf die Idee, einen Damenstrumpf zu verwenden. Schnell wird den Beteiligten klar, dass sich das dehnbare Material gut für das Käse-Experiment eignet. Der Effekt: Käse verschimmeln weniger stark. «Die Fasern wirken wie physikalische Barrieren gegen die Ausbreitung eines Schimmelmycels. Dadurch ist eine weniger intensive Käsepflege nötig», sagt Hans-Peter Bachmann.
Das Verfahren hat noch einen Begleiteffekt: Das Gewebe reduziert den Wasserverlust und beschleunigt dadurch die Reifung. «Mit unserem Verfahren hat der Käse eine weichere Textur und ein intensiveres Aroma», sagt Hans-Peter Bachmann.
Begleitete Patentrecherche: Ist gar ein Patent möglich?
«Nach der Entdeckung wollten wir wissen, wie einzigartig unser Verfahren ist», sagt Hans-Peter Bachmann. Er besucht beim IGE eine Begleitete Patentrecherche. So erfährt er, ob die Innovation patentierbar ist.
In der Recherche mit der Patentexpertin erlebt er sofort eine inspirierende Dynamik: «Sie war gut vorbereitet und kannte sich in unserem Fachbereich aus», erinnert sich Hans-Peter Bachmann. Er ist schnell davon beeindruckt, was man mit Recherche-Tools, Suchbegriffen etc. alles an Patentdaten zutage fördert. «Die Patentexpertin hat sogar weitere Käsereifungspatente entdeckt, die mir neu waren. Für unser Projekt war das ein grosser Wissensgewinn». Neben der Klarheit bezüglich Patentierbarkeit ist die Begleitete Patentrecherche für das Team von Agroscope auch Inspiration für weitere Projekte.
«Patentschrift ist eine hohe Kunst»
Vor einem Jahr hat Agroscope beim Europäischen Patentamt die Patentanmeldung eingereicht. Für die Vorarbeit engagierte man einen Patentanwalt: «Ich hätte die Patentschrift nie selber geschrieben. Das ist eine hohe Kunst», sagt Hans-Peter Bachmann. Auch für den Patentanwalt waren die Ergebnisse der IGE-Recherche sehr wertvoll.
Nun wird das Verfahren zusammen mit Partnern aus der Käse- und Textilbranche umgesetzt. Da es eine grosse Vielfalt an Käsesorten und sehr unterschiedliche Räume für die Käsereifung gibt, brauchen wir die Mitarbeit der Praxis. Die beteiligten Käsereien haben als Gegenleistung eine Exklusivität bis Ende 2025 bekommen. Es ist noch offen, wie anschliessend das Patent bewirtschaftet werden soll.
Beim Gedanken an die ersten Versuche muss Hans-Peter Bachmann heute noch schmunzeln: «Die Idee mit dem Strumpf war ungewöhnlich, aber sie hat von Anfang an funktioniert. Es ist mehr als eine verrückte Idee gewesen». Der Schutz vor Wasserverlust und die tolle Qualität des Käses sprechen für sich. Für das Verfahren werden natürlich keine Damenstrümpfe mehr verwendet, sondern ein biologisch abbaubares Textil aus einer Pflanze, die auch in der Schweiz vorkommt und imagemässig gut zum Käse passt. Mehr will Hans-Peter Bachmann dazu nicht verraten.
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