Auf dem Balgrist Campus in Zürich tüftelt Optohive an der Zukunft der Hirnfunktions-Messung. Angeführt wird das Start-up von Dominik Wyser, dem Ingenieur und CEO, und Michael Wyser, dem Finanzprofi und COO. «Das Gehirn ist nach wie vor eine Blackbox. Eigentlich kaum zu glauben, wenn man seine Bedeutung kennt», sagt Dominik Wyser zu Beginn des Gesprächs. Die beiden sind Brüder und verstehen sich blind. «Man weiss, wie der andere tickt und hat keine Geheimnisse voreinander», erzählt Michael Wyser. Fachlich ergänzen sie sich ebenfalls. «Eine Kennenlernphase war also nicht nötig», sagt er und lacht.
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Sie wollen die Hirnfunktions-Messung revolutionieren
Statt in einer engen Röhre zu liegen, könnte die Zukunft der Hirnmessung bald ganz anders aussehen: wie eine leichte Kappe, die man sich aufsetzt. Erfunden hat sie das Zürcher Startup Optohive. Die Vision: Jeder soll die Aktivität des Gehirns messen können. Und vielleicht sogar Krankheiten wie ADHS.
Von der ETH zum Startup
Die Idee entstand während Dominik Wysers Doktorarbeit an der ETH Zürich. Er forschte an einer Methode, die Hirnaktivität mit Licht zu messen: fNIRS – Functional Near Infrared Spectroscopy. Dabei werden Infrarotstrahlen in das Gehirn geschickt. Sie zeigen, wie viel Sauerstoff das Blut in bestimmten Regionen trägt – und damit, wo gerade Aktivität herrscht.
Während in der Neurorehabilitation ständig neue Therapien entwickelt werden, wird das Gehirn selbst nur selten direkt gemessen. Und wenn, dann meist mit dem MRI-Scanner – laut, eng, unbequem und zudem sehr teuer. «Genau das wollen wir mit unserer Erfindung ändern: die Verfügbarkeit steigern und gleichzeitig den Komfort erhöhen», betont er.
Sensoren aus der Autotechnik
Um das zu erreichen, nutzt das junge Unternehmen gemäss eigenen Angaben weltweit als erste Firma einen neuen optischen Sensor, den sogenannten Silicon Photomultiplier, in einem fNIRS-Gerät für Gerhinmessungen. «Unsere Sensoren sind viel sensitiver als die bisherigen Systeme», erklärt Michael Wyser.
Die Technologie dazu stammt aus einem ganz anderen Bereich: aus dem Cern und von dort wurden sie später in der Autoindustrie übernommen. «Die Hersteller wären wohl überrascht, wofür wir ihre Sensoren einsetzen», sagt Dominik. «Die Anpassung war technisch extrem komplex – aber sie hat sich gelohnt. Jetzt sind viel präzisere Messungen möglich.»
Die Kappe fürs Gehirn
Das Ergebnis der Entwicklung ist eine Kappe mit Sensoren – The HiveOne. Sie wird am Kopf getragen, sammelt die Signale und überträgt sie an den Computer. Auf der Oberfläche befinden sich magnetische Andockstellen, an denen die Sensoren – sogenannte Optoden – schnell und unkompliziert befestigt werden. So sind gezielt bestimmte Hirnregionen messbar. «Wir haben die Schwächen der bisherigen Messmethoden analysiert und Lösungen entwickelt. Für uns war immer entscheidend, dass die Technik alltagstauglich ist», sagen die Gründer.
ADHS mit Messung erkennen?
Derzeit läuft eine klinische Studie: Sie soll zeigen, dass ADHS über Hirnaktivitätsmuster erkannt werden kann - allein durch die tragbare Kappe. «Das wäre es ein Meilenstein für Kinder, Eltern und Ärzte», sagt Michael Wyser. Aktuell gibt es nur sehr subjektive Indikatoren, um ADHS zu messen, hauptsächlich basierend auf Fragebögen.
Aber nicht nur für die ADHS-Diagnose sehen die Brüder riesiges Potenzial, denn das Interesse an Hirnaktivitätsmessungen steigt rapide. Sowohl für den privaten Gebrauch mit allerlei Gadgets um Hirnströme messen, bei Firmen zur Entwicklung von Medikamenten, oder in der Medizin zur Optimierung von Therapien, überall könnte ihre Kappe mitmischen.
Schutz des geistigen Eigentums ist ein zentraler Baustein
Von Anfang an legten die Brüder grossen Wert auf Patentschutz. Dank der ETH konnte Optohive von deren Technologietransfer profitieren: Die Universität übernahm Anmeldung und Kosten. Das Patent gehört der ETH, Optohive hat eine exklusive Lizenz.
«Das Patent ist ein zentraler Baustein – ein grosser Teil unserer Hardware basiert darauf», erklärt Michael. Auch Investoren achten darauf: «Unsere Erfahrung zeigt, dass sie sehr genau prüfen, ob ein Startup sein geistiges Eigentum schützt.» Das Patent ist ein Teil ihrer Schutzstrategie: einige technische Details blieben bewusst geheim, um sie nicht offenzulegen. Zusätzlich hat das Unternehmen seine Marke registriert.
Ein Marathon im Schnelltempo
«Wir stehen noch am Anfang. Ein Startup ist wie ein Marathon – nur in hohem Tempo», sagt Dominik. Seit der Gründung vor einem Jahr ist viel passiert: Heute arbeiten bereits 15 Personen bei Optohive, inklusive Doktoranden und Studenten. Nach einigen Wechseln hat sich ein stabiles Team gebildet – die Basis, um die Hirnfunktionsmessung wirklich zu revolutionieren.