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Ein Stapel Papier sorgt für einen Design-Klassiker

Willi Glaeser hat 1989 einen legendären Papierständer erfunden. Die Kreation ist sogar als 3D-Marke geschützt. Geschäftskollege Thomas Merlo hat den Klassiker immer wieder erfolgreich gegen Trittbrettfahrer verteidigt.

Willi Glaeser hat den Papierständer nach einem Rundgang in der Firma innert drei Stunden entworfen. Bild: WOGG

Wenn die Zeitung zu Ende gelesen ist oder die Prospekte durchgeblättert sind, muss das Papier irgendwo hin. Willi Glaeser hat dafür 1989 eine elegante Lösung entwickelt. Sein Papiersammler (offiziell: TMP Paper Collector) hat es in Designbücher und in den Shop des Museum of Modern Art in New York geschafft. Auch bei der Aufzählung von Schweizer Designklassikern wird seine Kreation häufig genannt. Der 82-jährige Unternehmer und Designer erinnert sich im Gespräch mit dem IGE an die Entstehungsgeschichte. Geschäftspartner Thomas Merlo erzählt ausserdem über seine Erfahrungen mit dem Schutz des geistigen Eigentums.

 

Die Entstehung

Ende der 1980er-Jahre: Willi Glaeser macht einen Rundgang durch die Firma. An allen Arbeitsplätzen fallen ihm wieder einmal die Papierhaufen auf. «Über 90% hatten das A4-Format», erzählt der Designer am Telefon. In Glaesers Gedanken formt sich blitzschnell die Idee für einen Papierständer. Der Entwurf entsteht zu Hause am Esszimmertisch auf einem Blatt Papier. «Die Übung dauerte drei Stunden», lacht Willi Glaeser. Papier recyceln entsprach schon damals dem Zeitgeist. Sein Gedanke: Wenn man dies tun soll, dann muss das Aufbewahrungsobjekt optisch ansprechend sein.

 

Der Erfolg

«Das Produkt hat sofort eingeschlagen. Ich habe das Papiersammeln salonfähig gemacht», sagt Willi Glaeser stolz. «Bis dahin hatten die Grünen das Papiersammeln im Griff. Und nun kommt ein Papiersammler mit Stil». Die Zeit sei reif gewesen. Er habe den richtigen Moment erwischt und auch der Zufall habe mitgespielt. Geschäftspartner Thomas Merlo kümmerte sich von Beginn an um die Vermarktung. Der Papierständer hat sich bis heute zwei Millionen Mal verkauft.

 

Schreiner, Designer und Geschäftsführer

Willi Glaeser ist gelernter Möbelschreiner, diplomierter Schreinermeister, hat die Kunstgewerbeschule besucht und später den Master of Business Administration geschafft. 1983 hat er zusammen mit seinem Cousin Otto Glaeser das Möbellabel WOGG gegründet, der Name ist aus den beiden Initialen entstanden. WOGG ist noch in Besitz von Willi Glaeser. Man habe nie Designer angestellt, es waren immer selbständige Designer, von denen er sehr viel gelernt hat.

 

Die Haltung und Inspiration

Zum Design hat er eine klare Haltung. Das Ergebnis soll in erster Linie einen Zustand verbessern. «Wenn das Objekt nützlich ist, wird es auch spannend. Ich finde es schade, wenn ein Stuhl zwar super aussieht, aber einfach unbequem ist», sagt Willi Glaeser. Inspiration für neue Kreationen holt er sich bei Spaziergängen durch den Wald. «Ich bin auch schon mit einer Idee eingeschlafen und dann mit dem Gedanken der Entwicklung aufgewacht. Beim kreativen Prozess gibt es keine Regel.»

 

Die Lizenz zum Kopien-Jäger

Willi Glaeser wandte sich Anfang der 1990er-Jahre für die Vermarktung, aber auch für den Schutz des Papiersammlers an Thomas Merlo. «Dieser Markt war neu für mich und ich sah mich sogleich mit Kopien konfrontiert», erinnert er sich. Zu Verkaufsbeginn war der Papiersammler noch nicht geschützt, was die Durchsetzung der Rechte erschwerte. In einem längeren Anmeldeverfahren gelang es Thomas Merlo gemeinsam mit einem Anwalt, das Objekt als Formmarke (siehe Infobox) beim IGE mit einem rückwirkenden Datum zu schützen. «Dank dem Eintrag im Register können wir bis heute wirksam gegen Fälscher vorgehen und Kopien unterbinden», erzählt Thomas Merlo.

 
 

«Original immer gut verteidigt»

Die Arbeit geht Thomas Merlo nicht aus. «Ich habe den Markt sauber gehalten und das Original in der Schweiz immer gut verteidigt», sagt der Marketing- und Schutzrecht-Kenner. In vielen Fällen genügt es schon, die Betroffenen einfach auf ihr Verhalten aufmerksam zu machen. «Meist fanden wir eine friedliche Lösung», erzählt er. In einem Fall handelte es sich sogar um einen Kunden, der Kopien verkaufte. Häufig einigt man sich auf ein Lizenzabkommen: Die Betroffenen können das Original gegen eine Gebühr über ihren Kanal verkaufen. Auch im Ausland wird der Papiersammler verteidigt. In Deutschland, einem der wichtigsten Märkte, kommt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und einstweilige Verfügungen zum Einsatz. Bis heute arbeitet Thomas Merlo mit einem Hamburger Anwalt zusammen, der den Markt überwacht.

 

Die Mitbewerber werden vorsichtiger

«Man muss seine Kreation konsequent verteidigen, sonst macht der Schutzeintrag keinen Sinn. Der Kampf gegen die Kopierer hat zwar viel Geld gekostet, aber wir konnten das Original im Markt durchsetzen und bis heute eine Preisstabilität erhalten», sagt er. Es spreche sich eben herum, wenn eine Firma konsequent gegen Kopien vorgehe. Dadurch handle die Konkurrenz auch vorsichtiger. Mit Erfolg: der Zeitungsständer ist noch immer das meistverkaufte Produkt bei Thomas Merlo & Partner AG.

 

Zurück zu Willi Glaeser: In seiner Wohnung, so erzählt er, steht noch ein Vorrat an Papierständern in der exklusiven Chrom-Nickelstahlausführung. Manch ein Besucher darf ein solches Exemplar nach Hause nehmen. An seinem 80. Geburtstag hat Willi Glaeser die Rechte am Papierständer Geschäftskollege Thomas Merlo übertragen. «Er hat die Sache damals wirklich durchgezogen und der Kreation zum Erfolg verholfen».

 

Infobox: Der Papierständer ist eine 3D-Marke

Der Papierständer wurde 1995 beim IGE als Formmarke (3D-Marke) geschützt – mit rückwirkender Gebrauchspriorität per 1. Januar 1990. Eine dreidimensionale Marke kann ein dreidimensionales Zeichen sein, das zum Beispiel an der Ware angebracht wird (Mercedes-Stern auf dem Auto). Möglich ist auch, eine Ware oder Verpackung selbst als Marke zu schützen (z. B. die Coca-Cola-Flasche oder die Toblerone-Verpackung), sofern die Form in ihrer Gestaltung kennzeichnungskräftig ist. Der Schutz kann wie bei anderen Markentypen beliebig oft verlängert werden. Nach gängiger IGE-Praxis werden Formen heute aber nur noch in Ausnahmefällen als Marken registriert. Sie werden vor allem als Design geschützt.

 

Wie den passenden Markentyp wählen? Das erfahren Sie hier.

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