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Technologietransfer: Wie Erfindungen vom Uni-Labor auf den Markt kommen

Schweizer Universitäten und Hochschulen spielen beim Erfinden neuer Technologien eine wichtige Rolle. Ziel ist es, diese Entdeckungen auf den Markt zu bringen. Auf dem Weg vom Labor auf den Markt ist der Schutz der Erfindung zentral. Die Swiss Technology Transfer Association (swiTT) unterstützt die Verantwortlichen an den Hochschulen dabei. Wir sprachen mit swiTT-Präsident Matthias Kuhn über Technologien aus dem Universitätslabor, Lizenzen und was Erfinder nicht tun sollten.

Selbst die beste Erfindung wird nicht durchstarten, wenn es keinen Markt dafür gibt: Matthias Kuhn von swiTT. Foto: IGE

Die swiTT informiert über die Möglichkeiten des Technologietransfers. Mitglieder sind vor allem Hochschulvertreter, die sich für die Vermarktung einer Erfindung einsetzen. Denn die beste Innovation ist nutzlos, wenn sie den Markt nicht erreicht. Für Universitäten ist die Vermarktung ihrer Erfindungen denn auch eine wichtige Einnahmequelle. Für patentierte Erfindungen können interessierten Unternehmen zum Beispiel Lizenzen anbieten.

 

IGE: Was versteht man unter dem Begriff Technologietransfer?

Matthias Kuhn: Beim Technologietransfer geht es um die Kommerzialisierung von Technologien an Universitäten. Die Schlüsselfrage ist, wie sie oder die daraus hervorgehenden Spin-offs eine Erfindung erfolgreich vom Labor auf den Markt bringen können. Es geht auch um die Unterstützung von Forschenden im Bereich der öffentlich-privaten Forschungsverträge. Die swiTT wirkt als Katalysator, indem es Experten mit dem notwendigen Wissen unterstützt und den Austausch und die Vernetzung zwischen ihnen fördert.

 

Was wollen Sie mit einem Technologietransfer erreichen?

Es geht nicht nur um Geld, sondern um innovative Technologien, die den Markt wirklich beeinflussen. Selbst die beste Erfindung wird nicht durchstarten, wenn es keinen Markt dafür gibt. Unser Ziel ist es daher, dass Innovationen von Universitäten oder Hochschulen von möglichst vielen Menschen genutzt werden. Sie sollen die Gesellschaft positiv beeinflussen. In der Schweiz sind Forschung und Industrie traditionell stark miteinander verbunden. Viele Start-ups bauen hier auf patentierten Universitätstechnologien auf und sind deshalb gut geschützt vor der Konkurrenz. Dies zieht Investoren an, da sie lieber in Unternehmen investieren, die exklusive Rechte am Geistigen Eigentum der Technologie besitzen.

 

Beim Technologietransfer wird zwischen Spin-offs und Start-ups unterschieden. Worin besteht der Unterschied?

Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, da sich der Technologietransfer auf Spin-offs konzentriert.

 

Start-ups sind neue Unternehmen, die von Studierenden oder Mitarbeitenden einer Forschungseinrichtung gegründet werden und beliebige Produkte oder Dienstleistungen vermarkten können. Start-ups können, wenn nötig, die Infrastruktur der Universität nutzen (z. B. Maschinen, Analyseinstrumente, Personal, Netzwerke).

 

Spin-offs hingegen sind Unternehmen, die gezielt Technologien aus den Labors der Forschungseinrichtung vermarkten. Ihre Gründerinnen und Gründer haben diese Erfindungen oft selbst gemacht und nutzen sie im Rahmen von exklusiven oder nicht-exklusiven Lizenzen für universitäres Geistiges Eigentum oder Know-how. Spin-offs gehen direkt aus der Forschungseinrichtung hervor und unterhalten auch nach dem Verlassen der Einrichtung weiterhin enge Beziehungen zu ihrem «Mutterhaus», sie haben sozusagen universitäre DNA.

 

Was sind die Herausforderungen auf dem Weg vom Labor zum Markt?

Die Technologietransferstellen an den Universitäten stehen vor mehreren Herausforderungen. Die grösste Herausforderung ist die frühzeitige Markteinführung von Innovationen. Die Kommunikation, rechtliche Fragen, Marketing und Finanzen rund um dieses Thema sind komplex. Weiter geht es darum, mit Unternehmen, die die Technologie nutzen wollen, Lizenzverträge zu fairen Bedingungen auszuhandeln. Darüber hinaus müssen die Universitäten Patentportfolios mit begrenzten finanziellen Mitteln verwalten. Der Schwerpunkt wird dabei auf vielversprechende Technologien gelegt. Weniger aussichtsreiche Erfindungen werden aufgegeben.

 
 

Wie ist die Forschungszusammenarbeit zwischen der Universität und dem Spin-off organisiert?

Dies geschieht über Forschungsverträge, welche beispielsweise regeln, wer welche Rechte an den entstehenden Technologien besitzt und unter welchen Bedingungen das Spin-off sie nutzen darf. Verträge beugen einer unangemessenen Nutzung universitärer Ressourcen durch das Spin-off vor. Die Infrastruktur der Universität steht in erster Linie Forschenden zur Verfügung (Doktoranden, Postdoktoranden, Studierenden usw.).

 

In den Labors der Universitäten und Hochschulen wird viel geforscht, es werden Erfindungen gemacht und Spin-offs gegründet. Wie steht es um den Schutz des Geistigen Eigentums?

Der Schutz von Erfindungen ist ein zentraler Bestandteil des Technologietransfers. Ein Patent sichert die kommerzielle Nutzung einer Erfindung, nachdem die Universität einem Unternehmen die Lizenz dafür erteilt hat. Unternehmen, die an der neuen Technologie interessiert sind, wollen ein gewisses Mass an Sicherheit und Exklusivität, um ihre Investitionen in Entwicklung und Vermarktung zu schützen. Dies wird durch den Schutz, den das Geistige Eigentum bietet, gewährleistet. Patente, Marken und andere geistige Eigentumsrechte der Spin-offs machen sie für Investoren attraktiver. Es handelt sich um ein zeitlich begrenztes Monopol, das die Risiken verringert und die Vermarktung erleichtert. Der Schutz verschafft dem Spin-off letztlich auch eine stärkere Marktposition.

 

Eine Forscherin hat an der Universität etwas erfunden. Was sind die nächsten Schritte?

Allem voran müssen Forschende ihre Erfindung der Forschungseinrichtung melden. Das Technologietransferbüro prüft dann, ob es einen Markt für die Erfindung gibt. Wenn ja, wird die Patentierbarkeit durch eine Patentrecherche ermittelt. Erfüllt die Erfindung die nötigen Kriterien (Neuheit, Erfindungsreichtum, gewerbliche Anwendbarkeit), melden sie das Patent an und beginnen mit der Suche nach interessierten Unternehmen. Dies kann durch Veröffentlichungen, direkte Kontakte oder Messen geschehen. Wenn ein Unternehmen die Erfindung nutzen möchte, wird ein Lizenzvertrag ausgehandelt. Dieses Unternehmen ist dann berechtigt, die Erfindung gegen ein finanzielles Entgelt zu nutzen. In den meisten Fällen ist die Lizenzgebühr an den Umsatz gebunden.

 

Was sind die häufigsten Fehler im Umgang mit Geistigem Eigentum?

Forschende veröffentlichen ihre Ergebnisse oft zu früh, d. h. bevor ein Patent angemeldet wurde. Erfinderinnen und Erfinder stehen oft unter dem Druck, ihre Arbeit schnell zu veröffentlichen. Dies hat schwerwiegende Folgen, denn sobald eine Erfindung öffentlich bekannt ist, kann sie nicht mehr patentiert werden. Ein weiteres Problem ist, dass eine Erfindung zu schnell zum Patent angemeldet wird, d. h. bevor die Technologie ausgereift ist. Ein Beispiel: Eine Forscherin oder ein Forscher möchte an einer Konferenz teilnehmen und über ihre/seine neue Entdeckung sprechen. Diese soll noch vor der Veranstaltung zum Patent angemeldet werden. Eine verfrühte Anmeldung kann jedoch dazu führen, dass das Patent später keinen ausreichenden Schutz mehr bietet. Verfrüht bedeutet, dass noch nicht genügend Daten gesammelt wurden, um zu beweisen, dass die Erfindung funktioniert.

 
 

Welche Entwicklungen sehen Sie im Bereich des Technologietransfers?

Die Bedeutung von Software und KI hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Software kann nicht immer patentiert werden, aber sie ist durch Urheberrechte geschützt. Ein weiterer wachsender Bereich ist die Lizenzierung von Daten, insbesondere in Bereichen wie der Medizin und dem maschinellen Lernen.

 

Welchen Einfluss haben digitale Innovationen auf den Technologietransfer?

Einen grossen Einfluss – an den Schweizer Hochschulen entwickeln sich digitale Technologien rasant. Infolgedessen umfassen immer mehr Lizenzvereinbarungen nicht patentiertes Geistiges Eigentum wie Urheberrechte und Daten.

 

Datenübertragungsvereinbarungen werden beim Technologietransfer immer wichtiger, da strategische (z. B. schwer zu beschaffende) Daten zunehmend als wertvoll angesehen werden. Dennoch können digitale Technologien weiterhin patentiert und lizenziert werden. Eine Herausforderung besteht darin, sie so zu patentieren, dass nicht nur Verfahren, sondern auch Produkte geschützt werden.

 

Infobox

Die Swiss Technology Transfer Association swiTT ist der Zusammenschluss von Technologietransfer-Fachleuten, die in der Schweiz im Bereich des Technologietransfers von öffentlichen Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Universitätsspitälern und anderen Non-Profit-Forschungsorganisationen aus der Privatwirtschaft tätig sind.

Jeden Monat veröffentlicht swiTT eine Erfolgsgeschichte auf seiner LinkedIn-Seite. In der letzten Veröffentlichung wurde beschrieben, wie das Unternehmen Perovskia seine revolutionären Perowskit-Solarzellen entwickelt und vermarktet. Diese Zellen bieten auch bei diffusem Licht einen hohen Wirkungsgrad. Start-ups können aus solchen Beispielen viel lernen.

 

Die 7 Grundsätze des Technologietransfers (EN)

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