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«Ich war neugierig, wie sich die Theorie in die Praxis umsetzen lässt»

Luis Stettler, Hochschulabsolvent aus dem Bereich der Rechtswissenschaft, absolvierte im IGE ein sechsmonatiges Praktikum in den Bereichen «Recht und Internationales» sowie «Markenprüfung und Widerspruchsverfahren». Für den jungen Westschweizer aus Lausanne war dies nebst seinem beruflichen Interesse am Geistigen Eigentum eine willkommene Gelegenheit, sich mit seinen ursprünglichen Berner Wurzeln vertraut zu machen. Speziell interessierten ihn urheberrechtliche Fragestellungen, insbesondere die "Herausforderungen" im Zusammenhang mit der generativen Kunst und der neuen Technologien wie der Künstlichen Intelligenz. Daran faszinieren ihn sowohl das Tempo der Entwicklung, die neuen rechtlichen Fragen sowie der gesellschaftliche Diskurs.

Titelbild «Ich war neugierig, wie sich die Theorie in die Praxis umsetzen lässt»
© IGE/IPI
 

Wie bist du auf das juristische Praktikum beim IGE aufmerksam geworden?

Im Masterkurs über Geistiges Eigentum erzählte unser Professor viel über das IGE als Institution und über dessen Rolle als zentrale Anlaufstelle des Bundes für alle Fragen zu Patenten, Marken, geografischen Herkunftsbezeichnungen, Designschutz und Urheberrecht. Ich war neugierig, wie sich die Theorie in die Praxis umsetzen lässt. Es war von daher die perfekte Gelegenheit für mich, den Abschluss meines Studiums mit einem Praktikum im IGE zu verbinden.

 

Ich bin in Bern geboren, lebe aber seit vielen Jahren in Lausanne. Die Tatsache, dass das IGE seinen Sitz in Bern hat, entsprach zusätzlich meinem Wunsch, mich meinen ursprünglichen Wurzeln zu nähern. Ich bezog deshalb während meines Praktikums ein WG-Zimmer in Bern, um meine Geburtsstadt zu erforschen und besser kennen zu lernen.

 

Was interessiert dich spezifisch am Immaterialgüterrecht?

Wir alle hören Musik, lesen Bücher, gehen ins Kino, kaufen Produkte von unserer Lieblingsmarke oder nutzen die neuen Technologien, die unser Leben erleichtern. Mich hat schon immer fasziniert, wie es möglich ist, dass Kreative, Kunstschaffende oder Erfinder Schutz für ihre Leistungen erhalten. Ich finde, dass wir uns im Alltag oftmals wenig darüber im Klaren sind, wie wichtig es ist, diese Aktivitäten zu schützen und die Anstrengungen, die in sie investiert werden, zu würdigen.

 

Obwohl ich alle Bereiche des Geistigen Eigentums äusserst spannend und vielfältig finde, habe ich eine Vorliebe für das Urheberrecht sowie für Fragen, die durch neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz aufgeworfen werden. Aus diesem Grund habe ich ein Thema für meine Abschlusspräsentation gewählt, das sich mit generativer Kunst befasst.

 

Du hast dich im Rahmen deines Praktikums auch mit dem Markenschutz befasst. Was ist dir diesbezüglich besonders in Erinnerung geblieben?

Markenanmeldende sind sehr kreativ bei der Auswahl ihrer Marken: Daher ist es wichtig, dass die Markenprüfenden über eine breite Allgemeinbildung verfügen und dass IGE in diesem Bereich Personen mit höchst unterschiedlichen Profilen (Studien, Sprachen, Kulturen usw.) beschäftigt. Im Prüfungsteil zur Markenanmeldung habe ich sehr gerne die Recherchen durchgeführt, die Geduld und Neugierde erfordern. Am besten gefallen hat mir die Arbeit im Widerspruchsverfahren, wo die Argumente der Markeninhaber zuerst analysiert werden und dann seitens IGE ein Entscheid getroffen werden muss.

 
 

Du befasst dich im Rahmen deiner Abschlussarbeit mit dem Thema «Generative Kunst». Was versteht man grundsätzlich darunter?

Seit einigen Monaten hört man viel über neue Technologien, die auf Systemen mit künstlicher Intelligenz (KI) basieren und in der Lage sind, verschiedene Kunstformen zu generieren: Bilder, Texte, Videos oder auch Musik. Bekannte Beispiele sind ChatGPT und DALL-E von OpenAI, MidJourney, the New Bing etc. Die Nutzenden können Regeln für Einschränkungen programmieren, die die Erstellung ihrer Werke leiten, oder sie können die Computersysteme selbstständig generieren lassen.

 

Die Nutzung dieser Technologien wirft zahlreiche rechtliche, wirtschaftliche und sozio-ethische Fragen auf, wie beispielsweise die Interaktion des Geistigen Eigentums mit anderen Rechten wie Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, unlauterer Wettbewerb. Um die KIs zu trainieren (Input), sind enorme Datenmengen notwendig, dazu stellen sich Fragen zur Verwendung. Sind solche Daten geschützt oder dürfen sie frei verwendet werden? Dasselbe gilt es zu klären beim Output: Wem sollen IP-Rechte gehören, falls überhaupt? Falls das Ergebnis urheberrechtlich nicht geschützt ist, darf ich dieses frei verwenden? Verletzt der Output bestehendes Urheberrecht?»

 

Nebst den rechtlichen Aspekten gibt es weitere aus wirtschaftlicher und sozialethischer Sicht wie die Auswirkungen von KI auf den Beruf von Kunstschaffenden und Diskussionen über den (sinkenden?) Wert menschlich generierter Kunst.

 

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in deinem Alltag?

Die KI wird unsere Lern- und Arbeitsmethoden und den Einsatz von Lehrmitteln in den verschiedenen Berufsfeldern zukünftig auf den Kopf stellen. Sie ist jedoch bereits fester Bestandteil unseres Alltags, ohne dass wir uns dessen oftmals wirklich bewusst sind. Obwohl es diese Technologien schon seit einigen Jahren gibt, haben sie in den letzten Monaten einen Wendepunkt in Bezug auf die Qualität und die Geschwindigkeit ihrer Entwicklung erreicht. Das fasziniert mich genauso wie der fachliche und gesellschaftliche Diskurs: Das Thema KI ist sozusagen im öffentlichen Bewusstsein voll angekommen. Auch das IGE wird sich zukünftig vermehrt mit solchen Fragen auseinandersetzen müssen, spezifisch im Bereich des Urheberrechts.

 

Was waren für dich die Höhepunkte während deines Praktikums im IGE?

Beeindruckt haben mich die Vielfalt der Aufgaben im Berufsalltag sowie die Motivation und Leidenschaft der Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich im IGE gearbeitet habe. In besonderer Erinnerung bleiben mir die Besuche bei den Weltorganisationen WIPO und WTO in Genf. Dort erhielt ich einen persönlichen Einblick und Eindruck, wie internationale Sitzungen ablaufen können und war fasziniert von den diplomatischen Gepflogenheiten. Zudem finde ich den internationalen Aspekt des Geistigen Eigentums, der unerlässlich ist, um harmonisierte Lösungen/Vereinbarungen zu finden, einen äussert spannenden Bereich. Auf der kollegialen Ebene waren es vor allem die gemeinsamen Momente beim Mittagessen und gemeinsamem Aktivitäten, die es einem ermöglichen, in einem weniger formellen Rahmen mehr über den Werdegang jedes Einzelnen zu erfahren.

 
 

Weshalb würdest du anderen Interessenten das juristische Praktikum beim IGE weiterempfehlen?

Zu Beginn des Praktikums werden regelmässig Einführungen in einzelne Abteilungen des IGE angeboten: Die Mitarbeitenden nehmen sich dabei Zeit, um zu erklären, was sie tun und was man im Rahmen des Praktikums tun kann. Man hat wirklich das Gefühl, in alles ein bisschen hineingeschnuppert zu haben. Findet man einen Bereich besonders interessant, hat man die Gelegenheit, dort vermehrt Aufgaben zu übernehmen. Als Praktikant habe ich ausschliesslich konstruktive Rückmeldungen erhalten und konnte mich in vielem fachlich verbessern. Man spürt, dass das IGE viel Wert auf die Ausbildung der Praktikanten legt

 

Hast du bereits Pläne für deine weitere berufliche Zukunft nach dem Praktikum?

Im Idealfall möchte ich das Anwaltspraktikum absolvieren, welches mir als Höhepunkt des jahrelangen Jurastudiums erscheint. Zunächst möchte ich jedoch mehr Erfahrung im Bereich IP sammeln und ein Praktikum/einen Job in der Schweiz oder sogar im Ausland finden. Ich bin also auf der Suche nach neuen beruflichen Möglichkeiten.

 

Was hast du sonst für Interessen?

Ich gehe gerne auf Konzerte und Festivals und bin sehr interessiert an der Musikindustrie im Allgemeinen. Das Urheberrecht fördert das Verständnis, wie der musikalische Schaffensprozess "reguliert" werden kann und wie wichtig die Rolle jedes einzelnen Beteiligten ist: Musiker, Komponist, Texter, Interpret, Produzent, Verwertungsgesellschaft, Konsument. Ich finde, wenn man versteht, wie das funktioniert, erlebt man eine ganz neue Dimension beim Musikkonsum.

 
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