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Aktualitäten
Gemeinsam effizienter gegen Produktfälschungen
Am 1. Juli 2025 tritt das neue «Vereinfachte Verfahren zur Vernichtung von Fälschungen aus Kleinsendungen» in Kraft. Darin werden die Zuständigkeiten zwischen dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG und dem IGE neu verteilt und der ganze Prozess wird effizienter. Esther Wüest, Expertin für Nichtzollrechtliche Erlasse im Direktionsbereich Grundlagen beim BAZG, dazu im Interview.

Frau Wüest, wie ist es überhaupt zu diesem neuen, vereinfachten Verfahren gekommen?
Im Jahr 2017 reichte die Finanzkommission des Nationalrats ein Postulat ein mit der Forderung, den Vollzug von nichtzollrechtlichen Erlassen durch die damalige Eidgenössische Zollverwaltung (heute das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG) zu überprüfen und zu analysieren. Das Ziel war einerseits, Prozesse zu standardisieren und weiter zu digitalisieren. Anderseits sollte sich das BAZG künftig auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, also primär auf seine Kontrolltätigkeit. Im Herbst 2019 veröffentlichte der Bundesrat seinen Bericht dazu. Kurz darauf hatten wir bereits die erste Sitzung mit dem IGE. Wir freuen uns, dass jetzt der Startschuss zum operativen Betrieb fällt.
Was bedeutet die Gesetzesänderung für das BAZG und wie beurteilen Sie diese?
Die Verfahrensführung für Fälschungen in Kleinsendungen, die nicht mehr als drei Artikel enthalten und höchstens fünf Kilo wiegen, wird neu durch das IGE übernommen. Dadurch entfällt der entsprechende administrative Aufwand beim BAZG und wir können uns gemäss unserem Auftrag auf die Kontrolltätigkeit konzentrieren. Weiterhin zuständig sind wir für die Bewirtschaftung der Anträge auf Hilfeleistung und für die Verfahrensführung für andere als Kleinsendungen, also Sendungen mit mehr als drei Artikeln und mehr als fünf Kilogramm.
Wir stehen dieser Gesetzesänderung und dem neuen Verfahren positiv gegenüber. Der Aufwand wird durch die vereinfachte Vernichtung von Kleinsendungen für alle bisher involvierten Parteien reduziert. Etwa neunzig Prozent der Fälschungen, die vom Zoll aufgegriffen werden, gelangen in Kleinsendungen in die Schweiz. Es handelt sich dabei vor allem um Ware, die online bestellt wird. Die Menge hat in den letzten Jahren stets zugenommen und wir sind froh, hier eine Entlastung zu erfahren.
«Die Zusammenarbeit mit dem IGE war von Anfang an positiv und konstruktiv. Wir konnten gemeinsam gute Lösungen finden und entsprechend umsetzen.»

Esther Wüest, Expertin Nichtzollrechtliche Erlasse
Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG
Wer entscheidet künftig, was eine Fälschung ist und was nicht?
Der Aufgriff von mutmasslichen Fälschungen bleibt gleich wie bisher. Haben die Mitarbeitenden des BAZG bei einer Warenkontrolle den Verdacht, dass es sich um Fälschungen handelt, behalten sie die Waren zurück und übergeben sie im Falle von Kleinsendungen dem IGE. In allen anderen Fällen informieren sie direkt den Antragsteller über die Zurückbehaltung. Für alle Sendungen, ob Kleinsendung oder nicht, wird jedoch auch zukünftig nur der Rechteinhaber definitiv beurteilen können, ob die zurückbehaltene Ware eine Fälschung ist oder nicht.
Werden durch das Verfahren zur vereinfachten Vernichtung von Kleinsendungen die Rechte des Eigentümers der Ware eingeschränkt?
Nein, der Eigentümer oder die Eigentümerin, also die Person, welche die Ware bestellt hat, wird weiterhin über den Verdacht informiert, dass es sich bei der gekauften Ware um eine Fälschung handeln könnte. Er oder sie kann sich so einer Vernichtung auch weiterhin widersetzten, dies innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen. Stimmt die Person der Vernichtung zu, kann sie nicht mehr vom Rechteinhaber belangt werden. Als Zustimmung gilt dabei auch, wenn die Person die Vernichtung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ausdrücklich ablehnt.
Wird das BAZG zukünftig noch mehr Fälschungen zurückbehalten können?
Das BAZG führt seine Kontrollen lageabhängig sowie risikobasiert durch, was bedeutet, dass wir nicht systematisch kontrollieren, sondern dann und dort, wo das grösste Risiko für mögliche Gesetzesverstösse besteht. Die verfügbaren personellen Ressourcen decken den Kontrollauftrag des BAZG in allen Vollzugsbereichen ab, das heisst, die Mitarbeitenden kommen situativ dort zum Einsatz, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Wird also die Kontrolltätigkeit in einem bestimmten Bereich verstärkt, hat das Auswirkungen auf die Kontrolltätigkeit in anderen Vollzugsbereichen. Wie sich die Gesetzesänderung auf die Aufgriffszahlen der Zurückbehaltung von Fälschungen auswirken wird, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen.